Wenn sich zwei Schwestern eine Liebe teilen…
… kann das für die Familienidylle mitunter problematisch sein. – Oder: eben ganz im Gegenteil!
Es ist nämlich so, dass die Herzen von Elke Kirschner aus Landeck und Sigrid Höflinger aus Tarrenz für das gleiche schlagen, nämlich für Bücher. Und gerade diese Leidenschaft hat sich bis dato als Erfolgsrezept erwiesen. Hoben die beiden Leseratten doch die Öffentliche Bücherei in Tarrenz vor knapp 16 Jahren aus der Taufe und führen diese bis zum heutigen Tag mit Freude, Engagement und unstillbarer Neugierde auf alles, was zwischen zwei Buchdeckel passt.
1998 wurde das neu errichtete Mehrzweckgebäude in Tarrenz seiner Bestimmung übergeben. Anlässlich des Einzugs von Volksschule, Kindergarten und Musikkapelle wurde auch allen anderen Interessierten die Türen geöffnet, um einmal einen Blick in das brandneue Bauwerk in der Trujegasse werfen zu können. Diese Gelegenheit nutzten auch zwei Schwestern, die damals noch beide im Ort wohnhaft waren, und trauten ihren Augen kaum, als sie doch tatsächlich eine „leere“ Bücherei im oberen Stockwerk vorfanden. Von Kindesbeinen an mit einem umfangreichen Literaturangebot aufgewachsen und zu regelrechten Bücherwürmern erzogen, genügte ein Blick und Elke und Sigrid waren sich einig: „Tarrenz braucht eine Bücherei! Wenn nicht jetzt, wann dann?“
Nach nur kurzer Nachdenkpause nahmen die beiden auch gleich ganz euphorisch die Ausbildung zur „Ehrenamtlichen und nebenberuflichen Bibliothekarin“ in Angriff, welche sie nach erfolgreicher Absolvierung zu Leiterinnen einer Bücherei befähigte. Natürlich mussten sich die zwei Fachfrauen ordentlich für diese Stelle bewerben und freuten sich dann sehr, als ihnen Gemeinde und Kirche als Träger der Bibliothek das Vertrauen aussprachen. „Wir hatten einfach große Lust und klapperten erstmal alle Büchereien im Umkreis ab“, verraten sie Motivation und erste Schritte für dieses umfangreiche Projekt.
Tausende Bücher
Tja, und am 4. Oktober war es dann soweit: Der Startschuss für die erste Öffentliche Bücherei für die knapp tausend Haushalte war gefallen. Gestartet wurde mit einigen hundert Büchern, von denen ein Teil sogar nur geliehen war. Im Laufe der Zeit hat sich der Bestand natürlich erweitert, sodass die 42-jährige Röntgenassistentin Elke und ihre um sechs Jahre ältere Schwester Sigrid, die in der Neuen Mittelschule Imst Unterstadt Englisch und Geschichte unterrichtet, von mittlerweile über 4000 Medien umgeben sind. „Nachdem wir ja gleichzeitig auch die Schulbibliothek für die Volksschule sind, verfügen wir über einen überdurchschnittlich großen Kinderbuchbereich“, machen die beiden schon den Kleinsten das Stöbern und Lesen schmackhaft, „und in unserer gemütlichen Leseecke kann schon eine erste Vorauswahl getroffen werden.“ Abgesehen von christlich-besinnlichen Werken und einer vielfältigen Sachbuchauswahl kann nahezu jeder literarische Geschmack befriedigt werden, mit einem einzigen strengen Kriterium: aktuell muss es sein. „Bücher, Hörbücher, Filme oder CDs, die fünf Jahre von niemandem ausgeliehen worden sind, verschenken ober verkaufen wir um einen symbolischen Euro“, verraten die beiden Mütter von insgesamt drei Töchtern das Zustandekommen ihre „Abschussliste“. Und diese Strategie scheint goldrichtig zu sein, bestätigen dies doch die über 10.000 Ausleihungen, die die Bücherei Tarrenz pro Jahr vorweisen kann. Ist dann wieder Platz in den Regalen, wird dieser durch entsprechende Neuerwerbungen so bald wie möglich gefüllt. Dabei stützen sich die beiden auf vielversprechende Buchrezensionen, versuchen aber auch immer wieder, Leserwünsche zu erfüllen. Hin und wieder kann es natürlich auch passieren, dass es ein Buch nur aufgrund seines besonderen Covers in den Einkaufswagen schafft, was leider nicht immer Garant für ebensolchen Inhalt ist: „Außen hui und innen pfui, sozusagen“, schmunzeln die zwei Frohnaturen über ihr Faible für „schöne“ Bücher.
Das Buch ist Programm
Abgesehen vom hohen Anspruch, den sie selbst an das angebotene Sortiment stellen, überrascht das komplette Büchereiteam auch immer wieder mit speziellen Veranstaltungen, wie Lesungen oder dem traditionelle Kinderfaschingsfest im Mehrzwecksaal. So durften unter anderem bereits namhafte Autoren wie Bernhard Aichner, Markus Köhle oder Jeannine Meighörner begrüßt werden: Nicht nur, dass hier den Zuhörern jedes Mal ein Ohrenschmaus serviert wird, im Anschluss darf auch stets mit einem reichhaltigen Buffet gerechnet werden, das ebenfalls in Eigenregie der Bibliothekarinnen erstellt wird, sodass bei ein paar Häppchen und einem gemütlichen Glas, der Abend einen standesgemäßen Ausklang findet. Schließlich will man seiner Aufgabe als Kulturvermittler im Rahmen der eingeschränkten finanziellen Mittel auch ein wenig gerecht werden.
Und wenn sich dann die zwei Energiebündel nach getaner Büchereiarbeit eine Pause gönnen, greifen sie natürlich selber in eines ihrer Regale und tauchen in eine gänzlich andere Welt ab, schließlich möchten sie ja für alle Leserfragen gewappnet sein. (ulmi)
Fotos: U. Millinger